Hintergrund-Wissen

Die “Pille danach”

Im Jahr 2015 erlebte die Apothekenwelt einen ganz besonders aufsehenerregenden OTC-Switch, denn die “Pille danach” wurde rezeptfrei. Obwohl dieser Switch nun schon eine ganze Weile her ist, halten sich manche Vorurteile über die Notfallkontrazeption sehr hartnäckig.

Zudem ist der Verkauf einer Tablette mit den Wirkstoffen Ulipristalacetat oder Levonorgestrel häufig eine Angelegenheit, die mit vielen unterschiedlichen Emotionen auf Seiten der Kunden verbunden sein kann, mit denen ihr als Apothekenteam dann besonders behutsam umgehen müsst. Hier lest ihr noch einmal das Wichtigste, um euch auf den neuesten Stand zu bringen und um Vorurteile auszuräumen.

Levonorgestrel und Ulipristalacetat

Die Wirkstoffe Levonorgestrel und Ulioristalacetat sind beide Notfallkontrazeptiva, das bedeutet, dass sie die Empfängnis verhindern können, indem sie den Eisprung verschieben. Das Ei kann nach dem Eisprung zwar nur 24 Stunden lang befruchtet werden, die Samen können allerdings theoretisch bis zu 5 Tage lang befruchtungsfähig sein, und somit quasi “abwarten”, bis es zum Eisprung kommt. Wird dieser also um 5 Tage verschoben, dann kann das Ei nicht befruchtet werden, wenn nicht in der Zwischenzeit erneut ein ungeschützter Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. Treffen allerdings Eisprung und ein ungeschützter Sexualkontakt am selben Tag zusammen, dann kann auch die Notfallkontrazeption nicht mehr helfen. Die “Pille danach” ist keine Abtreibungspille. Nebenwirkungen können bei beiden Wirkstoffen auftreten. Am häufigsten sind dies Brustspannen, Übelkeit und Erbrechen und eine verstärkte Blutung bei der nächsten Menstruation. Ihr könnt den Kundinnen empfehlen, eine Kleinigkeit zur Tablette zu essen, das verringert die Wahrscheinlichkeit von Magen- und Darmproblemen.

Welche Pille empfohlen wird

Um zu entscheiden, welcher Wirkstoff empfohlen werden sollte ist es sinnvoll zu erfragen, an welchem Zyklustag sich die Frau befindet, die das Notfallkontrazeptivum benötigt. Ulipristalacetat wirkt noch bis kurz vor dem Eisprung, und kann bis zu 5 Tage nach dem ungeschützten Verkehr eingenommen werden. Levonorgestrel wirkt direkt vor dem Eisprung nicht mehr, und kann auch nur bis zu drei Tage nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Ein weiterer Verhütungsschutz für den Rest des Zyklus besteht nicht. Es ist wichtig zu verstehen, dass einer ungewollten Schwangerschaft am besten vorgebeugt wird, indem die "Pille danach" so schnell wie möglich eingenommen wird – am besten innerhalb von 12 Stunden nach dem Verkehr. Da beide Wirkstoffe in die Muttermilch übergehen können, müssen Stillende zumindest zeitweise die Muttermilch abpumpen und entsorgen, und ihr Kind mit einer Ersatzmilch füttern. Bei Ulipristalacetat wird empfohlen, dies für 7 Tage zu tun, bei Levonorgestrel sind dagegen nur 8 Stunden zu überbrücken.

Wie sicher ist die “Pille danach”?

Einen 100%-igen Schutz vor einer Schwangerschaft bieten beide Wirkstoffe nicht, daher ist ein sinnvoller Zusatzverkauf immer ein Schwangerschafts-Frühtest, der bereits nach einer Woche Auskunft darüber geben kann, ob das Präparat gewirkt hat oder nicht. Rechtzeitig eingenommen – das heißt innerhalb der genannten 12-Stunden-Frist - kann Ulipristalacetat eine ungewollte Schwangerschaft immerhin zu 75-84% verhindern, Levonorgestrel allerdings nur zu 55-60%. Bei übergewichtigen Patientinnen solltest du bei der Beratung bedenken, dass mit zunehmendem Körpergewicht die kontrazeptive Sicherheit beider Wirkstoffe abnimmt. Bei Levonorgestrel ist dieser Effekt stärker, denn hier schwächt sich die Wirkung bereits ab einem Körpergewicht von 70 kg ab, bei Ulipristalacetat ist eine Wirkreduktion ab 95 kg Körpergewicht messbar. Liegt der BMI der Frau über 35, dann ist es besser, sie zum/zur Gynäkologe/in zu schicken, der/die dann eventuell eine “Spirale danach" (Intrauterinpessar) empfehlen wird. Muss sich die betroffene Frau innerhalb weniger Stunden nach der Einnahme der “Pille danach” übergeben, so ist es sicherer, ihr eine zweite Tablette abzugeben.

Wem ihr die Notfall-Pille abgeben dürft

Im Grunde gibt es hier nur wenige rechtlichen Einschränkungen. Es ist nicht zwingend nötig, dass die betroffene Frau sie selbst in der Apotheke abholt, auch der Partner, eine Freundin oder ein Familienmitglied können das für sie übernehmen, wenn sie sich beispielsweise krank fühlt, oder keine Zeit hat in die Apotheke zu kommen. Besser ist es natürlich immer, wenn ihr Dinge wie den Zyklustag oder das Körpergewicht erfragen wollt, aber ihr seid rechtlich gesehen nicht dazu verpflichtet, das mit ihr selbst zu klären. Auch Minderjährige dürfen sich die Pille danach selbst abholen, hier solltet ihr nur auf eine ausreichende Dokumentation eurer Beratung achten. Im Alter unter 14 Jahren ist nicht sicher, ob die Patientin die Tragweite dessen, was ihr erklärt versteht, daher ist es in diesem Fall besser, wenn die Eltern sie begleiten. Besonders bei der Abgabe an Minderjährige ist es sinnvoll, wenn ihr eine Kollegin oder einen Kollegen hinzuzieht. Ihr dürft die Abgabe grundsätzlich jeder Person verweigern, wenn ihr pharmazeutische Probleme seht, aber nicht, wenn ihr religiöse oder ethische Bedenken habt.

Was es noch zu sagen gibt

Die Abgabe der “Pille danach” ist auch einige Jahre nach dem OTC-Switch nicht vergleichbar mit dem Verkauf eines Präparates gegen Erkältungskrankheiten. Viele Emotionen sind damit verknüpft, und so ist es häufig sinnvoll, die Beratung, wenn sie länger dauern sollte, außerhalb der Hörweite anderer Kunden zu führen. Besonders dann, wenn es sich nicht um einen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehandelt hat, ist euer Fingerspitzengefühl gefragt. Will die betroffene Frau damit nicht zur Polizei gehen, dann solltet ihr dazu raten, wenigstens den Frauenarzt aufzusuchen, um die möglichen Verletzungen dokumentieren zu lassen, und sich eine HIV- Post-Expositions-Prophylaxe verordnen zu lassen. Auch ist es sinnvoll, sich das Beratungsschema der Bundesapothekerkammer gemeinsam mit der Beratungsdokumentation, der Telefonnummer und der Internetadresse von Hilfstelefonen, wenn es sich um ein Sexualverbrechen handelt, in einem Ordner bereitzulegen. Dann könnt ihr diese im Bedarfsfall direkt mitgeben.

 

 

Bildnachweis: freepik

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