Stiftung Warentest

In den vergangenen Tagen hat die Stiftung Warentest pflanzliche Beruhigungsmittel unter die Lupe genommen und beurteilt. Neben reinen Supermarkt- und Drogerieprodukten waren auch einige Präparate darunter, die nur in Apotheken vertrieben werden, wie beispielsweise die Lasea®  Weichkapseln oder Baldriparan Tabletten. Das Ergebnis war für 21 der getesteten 25 Produkte leider eher ernüchternd, da die Stiftung hier keine ausreichenden Belege für ihre Wirksamkeit aus klinischen Studien fand. Was ihr euren vielleicht dadurch verunsicherten Kunden antworten könnt, wenn sie euch auf das schlechte Abschneiden der Produkte ansprechen, erfahrt ihr hier.

 

Die untersuchten pflanzlichen Präparate zur Beruhigung, die Baldrian, Hopfen, Johanniskraut, Melisse, Passionsblume oder Lavendel enthalten, haben wie viele weitere Phytopharmaka bei der Stiftung Warentest von vornherein einen schlechten Stand. Sie teilen das Los mit anderen Arzneimitteln, die aus Pflanzen hergestellt werden, die aber nicht mit neuesten klinischen Studien aufwarten können, und sind als “traditionelles Arzneimittel” eingestuft. Das bedeutet, dass sie seit mehr als 30 Jahren medizinisch verwendet werden, und ihre Wirksamkeit nur durch die jahrzehntelange Erfahrung als belegt gilt.

Im Zuge des Contergan-Skandals wurde für alle Medikamente, die sich auf dem Markt befinden, ein Wirksamkeitsnachweis gefordert, diese “traditionellen pflanzlichen Arzneimittel” dagegen benötigten nur eine Registrierung, da häufig die finanziellen Mittel gefehlt hätten, um die in der Masse doch eher günstigen Medikamente auf dem Markt zu halten. Es ist zudem nicht besonders einfach, doppelt verblindete und placebokontrollierte Studien durchzuführen, wenn die Placebo- und die Verumgruppe direkt am Geruch erkennen können, wer das echte Mittel erhalten hat. Lavendel, Thymian oder Baldrian sind nun einmal olfaktorisch gut zu erkennen.

Die pflanzlichen Arzneimittel deshalb von vorneherein gleich als “nicht ausreichend” und “wenig geeignet” zu beurteilen, wie es die Stiftung Warentest getan hat, erscheint daher etwas vorschnell. Bei Baldriparan zur Beruhigung wurde die Dreierkombination aus Baldrian, Hopfen und Melisse als “nicht belegt sinnvoll” bezeichnet, die Wirkung der Passionsblume bei Lioran® als “nicht nachgewiesen wirksam” dargestellt und auch das Lavendelöl, das als Wirkstoff in der Lasea® vorhanden ist wird nur als ärztlich begleiteter Therapieversuch empfohlen. Gerade bei pflanzlichen Präparaten die eher milde Effekte zeigen ist der oft geforderte Wirksamkeitsnachweis schwierig zu führen, was ursächlich mit der Komplexität der Vielstoffgemische zu tun hat, die pflanzliche Arzneistoffe nun einmal sind. Sie bestehen nicht aus einem einzelnen isolierten Wirkstoff, sondern haben häufig über 50 Einzelkomponenten, aus denen sie bestehen. Eine einzige “Leitsubstanz”, auf die sich klinische Studien zumeist beziehen, ist oft einfach nicht auszumachen. Eine synergistische Wirkung passt nicht in das Studienkonzept und ist daher problematisch nachzuweisen, was genau der Grund ist, warum der Gesetzgeber hier die vermeintliche Lücke für den Wirksamkeitsnachweis gelassen hat.

Zudem ist es problematisch, beispielsweise reine Baldrianpräparate die immerhin als “mit Einschränkung geeignet” bezeichnet wurden mit Präparaten zu vergleichen, die Passionsblume als Wirkstoff enthalten. Für “Passiflora incarnata” gibt es tatsächlich positive klinische Studien, allerdings als Anxiolytikum, welches an den GABA-Rezeptoren ansetzt. Personen, die nicht in den Schlaf finden, weil sie nicht müde sind, kann man nur schwer vergleichen mit Menschen, die zwar müde sind, aber vor lauter Angst keinen Schlaf finden. Die Tester der Stiftung Warentest hielten nur vier hochdosierte Präparate mit Baldrianwurzel-Trockenextrakt überhaupt für geeignet, nämlich Abtei Baldrian forte, Euvegal®, Klosterfrau Nervenruh Baldrian und Sedonium®. Positiv bewertet wurde unter anderem, dass sie kaum Nebenwirkungen aufweisen, negativ, dass sie ihre volle Wirkung erst nach einigen Tagen oder Wochen der Einnahme entfalten. Betrachtet man sich die klinischen Studien zur Passionsblume, so gilt als belegt, dass ihre angstlösende Wirkung bereits nach 10 Minuten einsetzt, und nach 30 Minuten auf ihrem Höhepunkt angelangt ist. Für alle die, die wegen einer Prüfung oder einer anstehenden Operation nicht einschlafen können, wäre das doch ein Segen. Also gilt es wie so oft auf solche Testberichte einen kritischen Blick zu werfen, damit ihr euren Kunden erklären könnt, wie er zustande gekommen ist. 

 

Quellangaben:

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2013/daz-50-2013/passiflora-incarnata#:~:text=Zur%20Dosierung%20von%20Passionsblumenkraut%20machen,Teeaufguss%20pro%20Tag%20%5B11%5D.

https://de.wikipedia.org/wiki/Traditionelles_pflanzliches_Arzneimittel

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/pflanzliche-beruhigungsmittel-fallen-durch-140330/

https://www.rosenfluh.ch/media/arsmedici/2006/04/Pflanzliche-versus-synthetische-Arzneimittel-ein-spannender-Vergleich.pdf

https://www.aerzteblatt.de/archiv/147/Zulassung-von-pflanzlichen-Arzneimitteln-Gemaess-den-Kriterien-der-Schulmedizin